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„Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft“

Vom Kinder- und Jugendstärkungsgesetz werden viele Kinder und Jugendliche enorm profitieren. Florian Leimann, Referent für Kinder- und Jugendhilfe beim SKM Bundesverband, geht das neue Gesetz Schritt für Schritt durch und erklärt, was sich nun konkret verbessert für Kinder, die Heimen oder in Pflegefamilien leben, die vernachlässigt werden, Gewalt erleben, oder die Behinderungen haben.

 

 

Kinder und Jugendliche, die in Heimen leben

Florian Leimann Neben den Rechten von Kindern und Jugendlichen, die in Heimen untergebracht sind, wird im Gesetz nun auch das Kindeswohl als positiver Begriff (§45 Abs. 2 S. 4 SGB VIII neu) berücksichtigt. Weiterhin wird die Selbstvertretung dieser Gruppe sowie ihre Beschwerdemöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung (§45 Abs. 2 S. 4 SGB VIII neu) gestärkt. Dies fördert die Rechte und Partizipation junger Menschen in stationären Hilfen.

Kinder und Jugendliche, die bei Pflegefamilien leben

Florian Leimann Das Gesetz schafft mit dem neuen §37a stringente Regelungen zur Beratung und Unterstützung der Pflegepersonen einerseits und andererseits mit dem neuen §37b klare Rechte von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege – zum Beispiel Beschwerdemöglichkeiten. Diese klare Regulierung zu Gunsten der Kinder, Jugendlichen und Familien begrüßen wir ausdrücklich.

 

 

Kindeswohlgefährdung

Florian Leimann Hinsichtlich der Kindeswohlgefährdungen wurden die Regularien in den §§8a und 8b weiter präzisiert: Das führt zu einem noch höheren Maß an Verantwortung bei vielen Menschen und Einrichtungen, die mit den Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten.
Die Einbeziehung der Kindertagespflege in das Meldeverfahren bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung (§8a Abs. 5 SGB VIII neu) trägt zu einer besseren Umsetzung des Schutzauftrages bei.

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen

Florian Leimann Die generelle Aufnahme der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen ins SGB VIII (§7 Abs. 2 SGB VIII neu) ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Damit können junge Menschen mit Behinderungen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen. Die besonderen Bedarfe dieser Menschen werden zudem an vielen Stellen im Gesetz berücksichtigt. Besonders begrüßenswert: Die Regelungen des Kinderschutzes lassen sich damit nun gesetzessicher auch auf Kinder und Jugendliche mit Behinderung anwenden.

Transidente, nichtbinäre und intergeschlechtliche junge Menschen

Florian Leimann Ein Schritt zur Aufhebung von Ungleichbehandlung, den wir vor allem als gendersensibler Verband begrüßen, ist die Aufnahme der Bedarfe von transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen in die Ausgestaltung von Leistungen (§9 Abs. 3 SGB VIII neu).

Kostenbeteiligung sinkt

Florian Leimann Eine besondere Verbesserung bietet das Gesetz den jungen Volljährigen, die gemäß §41 SGB VIII Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen. Hier sinkt die Kostenbeteiligung von aktuell 75 Prozent des verfügbaren Einkommens auf 25 Prozent. Kinder und Jugendliche sind immer unverschuldet in der Kinder- und Jugendhilfe: Eine Beteiligung an den Kosten ist meiner Meinung nach unvertretbar und gehört vollständig abgeschafft.

Und nach dem 18. Geburtstag?

Florian Leimann Für die Gruppe der jungen Volljährigen bietet das Gesetz deutliche Verbesserungen: Sie können auch nach dem 18. Geburtstag Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erstmalig in Anspruch nehmen (§41 Abs. 1 SGB VIII neu) und bei der Beendigung der muss der Folgerechtsträger zwingend einbezogen werden. (§41 Abs. 3 SGB VIII neu in Verbindung mit §36b SGB VIII neu). Die Abbrüche von Jugendhilfemaßnahmen mit dem 18. Geburtstag im Zusammenhang mit der Entlassung in die Unversorgtheit gehören damit der Vergangenheit an.

Fazit

Florian Leimann Generell bietet das Gesetz also eine deutliche Verbesserung der Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien, die Hilfen nach dem SGB VIII erhalten. Dies tut es, indem es die Beteiligung dieser Personen bei der Ausgestaltung der Hilfen nun vorschreibt (§4 SGB VIII neu), diese durch Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit sichert (zum Beispiel §8 Abs. 4 SGB VIII neu) und die Zusammenarbeit mit selbstorganisierten Zusammenschlüssen Betroffener durch die öffentliche Jugendhilfe regelt (§4a SGB VIII neu).