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Die Zerstörung des SKM?

Die digitale Transformation könnte gerade nicht sichtbarer sein. Die Corona-Krise hat das Home-Office zum größten Büro der Welt gemacht. Viele rüsten auf, entdecken Formate der Videotelefonie und Cloud-Lösungen zur gemeinsamen Arbeit online. Auch privat werden fleißig Fotos über Social Media geteilt, es wird online gemeinsam gespielt und gevideochattet, um mit den Lieben in Kontakt zu bleiben. Binge Watching über Netflix, Prime & Co und ist bei vielen an der Tagesordnung. Die Vorteile der digitalen Kommunikation waren selten allen so offensichtlich. Ich werde mit diesem Beitrag aber nicht den Fokus auf Corona legen (ich finde, das Thema ist allgegenwärtig genug), sondern auf ein anderes Phänomen, das durch die aktuelle Situation meiner Meinung nach deutlich sichtbarer geworden ist: Warum hängen die Wohlfahrtsverbände so hinterher?
Vielleicht fragt ihr euch, was es mit dem Titel dieses Beitrages auf sich hat. Vielleicht hat es sogar geklappt, dass jemand wegen des unheilschwangeren dramatischen Titels auf meinen Beitrag geklickt hat? Vielleicht gedacht: Was macht der Jähne denn da? In Rezo-Manier den eigenen Verband anprangern? Und das in diesen Zeiten auch noch auf der hauseigenen Webseite? Vorab: natürlich nicht! Ich finde, das Video des YouTubers Rezo vom letzten Sommer ist ein starkes Beispiel dafür, wie sich Kommunikation verändert. Gerade die Hilflosigkeit innerhalb der CDU macht deutlich, dass die bewährten Kommunikationswege nicht mehr ausreichen, um mit unseren Zielgruppen und insbesondere den jungen Leuten in Kontakt zu kommen. Genau wie die CDU haben die allermeisten Wohlfahrtsverbände kaum Strategien, auf modernen Wegen über ihre wichtige Arbeit zu informieren. Ich finde das dramatisch! Denn wir brauchen diese Strategien, um nicht nur in unseren Netzwerken, sondern in der gesamten Gesellschaft besser sichtbar zu werden. Und sichtbar zu machen, wie vielfältig, kreativ und vor allem unentbehrlich unsere Arbeit ist. Hier geht es ausdrücklich nicht um die narzisstische Zurschaustellung der eigenen Leistung, sondern insbesondere darum, junge Leute für die Soziale Arbeit und die Hilfe am Nächsten zu begeistern.
Ich versuche das im Rahmen dieses Blogs auch in eigener Sache. Ich berichte darüber, was ich persönlich in der Arbeit erlebe, um nebenher sichtbar zu machen, wie vielfältig sie ist. Und ich mache mir nichts vor: Im Universum der Social Media ist meine Reichweite verschwindend gering. Aber vielleicht reicht es, die eine oder andere Diskussion anzuregen. Vereinzelt erreichen mich Stimmen, die mir melden, wie erfrischend es sei, meine Art zu schreiben und zu informieren zu lesen. Das freut mich natürlich sehr. Gleichzeitig gab es zuletzt auch kritische Stimmen. Das persönliche Format des Blogs sei nicht geeignet, die Arbeit in ein positives, professionelles Licht zu rücken. Ich erlebe dies auch als Generationenkonflikt: Während Kollegen und auch Freunde in meinem Alter oder jünger eher gelassen sind und den Blog als einen ersten kleinen Schritt sehen, die Reichweite des Verbands im Netz zu erhöhen (wozu ich mich auch zähle und schon über Podcasts, YouTube-Videos etc. nachdenke), reagieren ältere Kollegen eher irritiert und abwehrend, dass es jetzt zu weit ginge mit der persönlichen Darstellung.
Das macht das Ganze sehr kompliziert. In dieser double-bind-Botschaft höre ich dann sowas wie: Rüdiger, bitte versuche im Netz neue Wege und lass uns Erfahrungen damit machen. Aber stelle sicher, dass du niemanden irritierst oder irgendjemandem auf die Füße trittst.
Mmmmmhhh … Natürlich geht das nicht. Gleichzeitig wird es letztlich noch komplizierter. Im Netz lassen sich Inhalte nicht von den Personen trennen. Dies ist Fluch und Segen gleichermaßen. Gerade über den persönlichen authentischen Teil werden die Inhalte interessant. Gerade weil Rezos persönliche Leidenschaft in seinem Video wirkt, hat er eine so große Reichweite erzeugt. Und über den Blog, erreiche ich nicht nur Fachleute, sondern auch Bekannte und Freunde, die sich für meine Arbeit interessieren. Und es ist gerade diese Authentizität und persönliche Leidenschaft, die Grundvoraussetzung ist. YouTuber und Influencer habe sichtlich Spaß an dem was sie tun (Auch jeder Troll und Hater agiert mit echter Leidenschaft). Und das sieht und spürt auch das Publikum. Unabhängig davon, ob uns die Inhalte zusagen, hat die Netzgemeinschaft hierfür ein unfehlbares Gespür. Beispiele hierfür sind z.B. die Versuche der CSYou das Rezo-Format zu kopieren (Megafail, Zwinkersmiley) und damit eine überragende Menge an Dislikes erzeugt, weil es einfach viel zu durchschaubar ist. Oder die Bemühungen von YouTube selbst bei ihrem schon traditionellen Jahresrückblick, der den schon traditionellen Shitstorm auslöst.
Natürlich könnte der SKM jetzt sagen: Rüdiger, was du privat über deine Arbeit denkst, kannst du im Privaten denen mitteilen, die es interessiert. Aber auch das ist ein Irrglaube. Hierzu ein Beispiel: Würde ich nun beginnen privat über Facebook, Twitter, Instagram und Co Inhalte der AfD, rechter Männergruppen oder was auch immer zu teilen, würde dies natürlich auch auf meine Rolle als Referent für Jungen- und Männerarbeit beim SKM ausstrahlen. Wohl zu Recht würden sich viele von diesem Arbeitsfeld des SKM abwenden, denn Person und Funktion bzw. Arbeit gehören im Netz inzwischen unteilbar zusammen. Und hier wird das Dilemma schnell deutlich.
Ins Netz der Social Media gehören aktuelle, spannende und persönliche Inhalte. Mir ist bewusst, dass das für viele auch heute noch „Neuland“ ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass es nicht mehr ohne geht. Wir überlassen das Feld sonst zunehmend extremen Gruppen, die mit ihrer oft verqueren Weltsicht andere ansprechen und mit ihren Gedanken vereinnahmen. Beispiele hierfür sind Impfgegner und Reichsbürger ebenso wie rechte Hetzer und Trolle, die im Netz ihre Sicht der Dinge verbreiten, bis hin zu Präsidenten. Ich finde es unverantwortlich, wenn sich der SKM und die verbandliche Caritas mit ihrem Standing und ihrer hohen Fachlichkeit hier nicht noch sichtbarer und deutlicher positioniert.
Dazu braucht es Menschen, die sich auch persönlich dafür einsetzen und den Mut haben im oft anonymen und z.T. leider rechtsfrei wirkenden Raum des Internets für die Arbeit und die Werte des SKM einzustehen. Dazu braucht es auch die Bereitschaft Fehler zu machen und das Vertrauen der älteren Generationen, diese neuen Kommunikationswege mit allem Neuen und z.T. verwirrenden und ungewohnten Methoden zu testen. Es gibt hier wenig Erfahrungswerte.
Immer noch höre ich Stimmen, wir bräuchten zunächst ein abgestimmtes Konzept, wie wir auch auf Facebook oder Twitter agieren. Vergesst es! Facebook gibt es seit 2004 (und verliert in Deutschland eher schon an Einfluss). Wir brauchen nun endlich Erfahrungswerte und Vorkämpfer, die uns helfen, die möglichen Rollen der Wohlfahrtsverbände zu finden.
Das Caritas-Projekt U25  ist ein schönes Beispiel, wie das gelingen kann. Die Peerberatung hat es mit viel Leichtigkeit, Mut und Digital Native-ness 😉 geschafft, im Netz sichtbar und erfolgreich zu werden.
Ich freue mich darüber, dass wir in den letzten Wochen und Monaten dieses Thema zunehmend im Verband thematisiert und an verschiedenen Stellen diskutiert haben. Dass mit Martina und Constanze inzwischen sogar zwei Kolleginnen mit der Verbandskommunikation betraut sind, zeigt wie wichtig dem Verband das Thema inzwischen ist. Das bedeutet nun auch Veränderung für mich. Dies wird mein letzter Blogbeitrag in diesem Format sein. Der nächste wird dann (hoffentlich klar erkennbar) in neuem Design und Kontext erscheinen. Hoffentlich dann auch mit anderen, die bereit sind, im Netz noch sichtbarer zu machen, wofür und für wen der SKM einsteht und sich engagiert und ebenso mit klarer Haltung zeigt, was er ablehnt.

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